Berlinfahrt des P- Seminars Geschichte und des W-Seminars Deutsch vom 07.11.-11.11.19

Themenschwerpunkt: Deutsch-deutsche Geschichte

Fast 30 Jahre sind mittlerweile seit der deutschen Wiedervereinigung vergangen. Vier Jahrzehnte existierten zwei deutsche Staaten: die Bundesrepublik und die DDR. Beide trennte eine fast unüberwindliche Grenzeim wörtlichen, politischem und auch im wirtschaftlichen Sinne. Für meine Generation? Eigentlich gut, aber auch wiederum nicht vorstellbar. Denn wir als Schüler kriegen die deutsche Teilung und in der Schule mit, aber ob wir uns das dann wirklich vorstellen können? Eine Geschichte Deutschlands, eine Generation vor uns und eigentlich uninteressant, denn es ist ja längst Vergangenheit.

Um uns im W- und P- Seminar mit dem Themenschwerpunkt deutsch-deutsche Geschichte besser auseinanderzusetzten und uns noch intensiver mit der Teilung, dem Mauerfall und der Wiedervereinigung Deutschlands zu beschäftigen, fuhren wir perfekt zum Anlass „30 Jahre Mauerfall“ um den 9. November herum mit den Kursleitern Hr. Burckhardt und Hr. Adam nach Berlin.

Leichte Aufregung und Freude breitete sich bei uns aus, als wir am Hauptbahnhof in Berlin ankamen. Der Plan für den ersten Abend war es, auf eine etwas alternative Party in der Volksbühne zu gehen – mit multikulturell-internationaler und mehrsprachiger Bandmusik sowie Techno. Die Party stand für Berlin, als eine Stadt mit politischer, gesellschaftlicher und religiöser Vielfalt.

Am Freitag war ein Stadtrundgang durch Berlin geplant, um so viele historische Orte und Events wie möglich mit den Themen „die Mauer“ und friedliche Revolution zu betrachten. Stellvertretend ist dafür das zur Ikone gewordene Foto „Sprung in die Freiheit“, welches einen jungen Soldaten, der an der Bernauer Straße die Stacheldrahtrolle überspringt, zeigt. Der Soldat Hans Conrad Schumann war einer der ersten Grenzflüchtlinge nach dem Bau der Berliner Mauer.

Am Nachmittag folgte eine Führung durch die Gedenkstätte Hohenschönhausen, auf der uns unser Führungsleiter die erschreckenden Methoden der Stasi erzählte. Dadurch dass die Insassen bei der Fahrt nichts erkennen konnten, weil im Gefangenentransport alles dunkel war und sie erst wieder etwas gesehen haben, als sie in Hohenschönhausen ankamen, wusste keiner, wo er oder sie sich befand. Um das sicherzustellen, fuhren die Stasi-Offiziere mit dem Transportwagen stundenlange Umwege, um die Gefangenen über die Örtlichkeit zu verwirren. Frisch Inhaftierte konnten in den ersten Nächten durch Kontrollen der Offiziere nicht schlafen, was dann bei der stundenlangen Vernehmung bewirkte, dass sie sich schlecht darauf konzentrieren konnten zu lügen. Von körperlicher (war dann auch irgendwann gegen Mitte der DDR-Zeit nicht mehr geläufig) und psychischer Folter, Manipulation bis zur Demütigung und noch weiteren Methoden blieben den Gefangenen, die zumal auch unrechtgemäß inhaftiert wurden, nichts erspart.

Den Abend beendeten wir mit einer modernen Theateraufführung von Henriette Dushe „Von der langen Reise auf einer heute überhaupt nicht mehr langen Strecke“. Das Stück handelte von einer Familie, bestehend aus vier Geschwistern und einer Mutter, deren Erinnerungen um die Leerstelle des Vaters kreisen, der eine Ausreise aus der DDR plante. Doch leider kam es nie zur Ankunft von dieser Reise und man konnte als Zuschauer ahnen, dass der Vater von der Stasi behindert wurde. Die Familie erlebt eine Zeit voller Enttäuschung und Verfolgungswahn und kann mit der Vergangenheit nicht abschließen.

Am folgenden Tag besichtigten wir eines der politischen Zentren Deutschlands, den Reichstag. Er ist Sitz des Deutschen Bundestages und dessen gläserne Kuppel ist eines der Wahrzeichen der Hauptstadt. Mit dem Reichstag sind bedeutende Wendepunkte und Ereignisse der deutschen Geschichte verbunden. Im Plenarsaal bekamen wir einen informativen Vortrag über die Verantwortung des Deutschen Bundestages, zum Beispiel, dass bei Politikern Verhandlungen zu bestimmten Entscheidungen, bis sie getroffen werden, bis tief in die Nacht andauern können. Bemerkenswert war aber auch, dass die Abgeordneten aus den unterschiedlichsten Bereichen kommen: Das Handwerk und die Medizin sind ebenso vertreten wie künstlerische Berufe, die Industrie und die Wirtschaft.

Weiter ging es zum nahen „Tränenpalast“, welcher allerdings eher weniger einem „Palast“ gleicht. Es handelt sich hier um die ehemalige Ausreisehalle und Grenzübergangsstelle zum Bahnhof Friedrichstraße. Von hier fuhren S-, U- oder Fernbahnen aus der DDR nach West-Berlin. Vermutlich kam die Namensgebung aufgrund des traurigen oder oft schmerzhaften Abschieds von Freunden, Familienangehörigen oder nahstehenden Menschen, die nach West-Berlin zurückreisten. Heute ist die Halle ein Museum, in dem über die Zeit der DDR Ausstellungen sattfinden. So wurden Tagebucheinträge zur Schau gestellt und beispielsweise auch ein Bericht über ein Liebespaar, das durch die Mauer so lange getrennt war, bis einer der beiden erfolgreich fliehen konnte.

Höhepunkt des Tages war der Festakt am Brandenburger Tor, denn es war der 9. November und somit genau 30 Jahre nach dem Mauerfall. Zur Zelebrierung war ein Musikfestival organisiert worden und brachte verschiedene nationale und internationale Genres und Künstler auf die Bühne und wurde live vom ZDF übertragen. Die Darbietungen waren eng mit den Ereignissen des Mauerfalls und der Wende sowie der Zeit der Teilung durch die Mauer verbunden. Alle wollten gemeinsam das Mauerfall-Jubiläum feiern, unabhängig vom Alter oder der Herkunft. So kam es auch, dass ein Teil unseres Seminars von einem Reporter von „British Sky News“ nach unseren Assoziationen zum Mauerfall interviewt wurde. Alle waren zusammen auf dem Platz vor dem Brandenburger Tor vereint und froh, mancher sogar euphorisch über die Wiedervereinigung und über das vereinte Deutschland, so wie wir es heute kennen.

Am Sonntag teilten wir uns in Gruppen auf und wir konnten selbstständig nach eigenen Wünschen Berlin für einen Tag erkunden. So begaben wir uns zum Beispiel zur „Sonnenallee“ durch die ebenfalls die Mauer verlaufen war. Den Abend ließen wir in der sogenannten „StäV“, der „Ständigen Vertretung“, einer rheinischen Kneipe in Berlin Mitte ausklingen. Bekannt ist die StäV für als Treffpunkt von Persönlichkeiten aus der Politik, der Wirtschaft, der Gesellschaft und Kultur.

Den letzten Tag in Berlin nutzten wir aus, um das Deutsche Historische Museum im Herzen des ehemals preußischen Berlins zu besuchen. Die Führung gab uns eine Zusammenfassung des geschichtlichen Wissens – vom Nationalsozialismus bis zur Teilung Deutschlands– und gab uns auch einen Einblick in die kontrastreiche Entwicklung über die Jahre zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland, vom Lebensstil, der Kleidung und Mode bis hin zur Sprache.

Die Erfahrung, eine gewisse „Zeitreise“ durch das tiefe Eintauchen in die Themenschwerpunkte des Kombiseminars gemacht zu haben, insbesondere durch den Festakt am Brandenburger Tor – gemeinsam mit zehntausenden Menschen – so nah durch die künstlerischen Darbietungen und doch auch fern aufgrund der 30 Jahre Unterschied zu sein, war ein einmaliges, unermesslich bereicherndes Erlebnis. Dieses Gefühl der Euphorie am Brandenburger Tor gab einem selbst auch die Hoffnung, dass Deutschland womöglich wieder ein stärkeres positives Nationalbewusstsein erlangen könnte, das durch die „tiefen Einschläge“ der deutschen Geschichte verblasst ist.

(Bildrechte: Iris Held, Philipp Kilg)